Anlässlich des Ablebens von Baumeister Technischer Rat Ing. Richard Lugner finden Sie hier nochmals das Interview, in dem Richard Lugner im Gespräch mit Baublatt.Österreich auf wichtige Stationen seiner Bau-Karriere zurückblickt. Das Interview wurde erstmals im Frühjahr 2021 veröffentlicht.
Es zählt nur der Erfolg
Opernballkönig, Society-Star, Betreiber eines Einkaufzentrums – diese Begriffe prägen vor allem in der jüngeren Generation das Bild von Baumeister Richard Lugner, der es mit einem untrüglichen Gespür für Marketing auch international zu großer Bekanntheit brachte. Wir baten den Workaholic, der im nächsten Jahr seinen 90. Geburtstag feiert und nach wie vor jeden Tag in seinem Büro anzutreffen ist, um einen Rückblick auf seine Bau-Karriere.
Baumeister Technischer Rat Ing. Richard Lugner wurde 1932 als ältester Sohn eines Rechtsanwaltes in Wien geboren. Da sein Vater aus dem Krieg nicht zurückkehrte, wurde er gemeinsam mit Bruder Roland von seiner Mutter aufgezogen. Das Kriegsende und die Entbehrungen der Nachkriegszeit waren für den Jugendlichen prägende Erlebnisse und schärften den Blick für das wirklich Wichtige. Als Jungunternehmer nutzte Lugner die Chancen, die sich in der Zeit des Wiederaufbaus boten und spezialisierte sich mit seinem eigenen Bauunternehmen auf die Renovierung von Altbauten und die Errichtung von Tankstellen. Später machte er mit dem Bau der Wiener Moschee und zahlreichen prominenten Sanierungsprojekten den Namen Lugner österreichweit bekannt. 1990 eröffnete er die Lugner City, das damals siebtgrößte Einkaufszentrum in Österreich. Ab 1997 zog sich Lugner sukzessive aus dem operativen Baugeschäft zurück. Richard Lugner war mehrmals verheiratet, hat zwei Söhne, kämpfte gegen die Begrenzungen der Ladenöffnungszeiten und zeigte auch politische Ambitionen: 1998 und 2016 kandidierte Lugner bei der Bundespräsidentenwahl.
Herr Baumeister Lugner, wie kamen Sie in die Baubranche?
Lugner: Meine Mutter hat mich in der Technisch-Gewerblichen Bundeslehranstalt in der Wiener Schellinggasse in der Fachrichtung Hochbau eingeschrieben, wo ich 1953 maturierte. Der Plan war, dass ich später bei einem befreundeten Bauunternehmer Arbeit finden könnte. Einer meiner Schulkollegen war Hans Hollein, der sich als Architekt – unter anderem mit dem bekannten Haas Haus beim Stephansdom – auch über unsere Grenzen hinaus einen Namen gemacht hat.
Österreich steckte damals in einer Rezession. Trotzdem konnte ich zwei Tage nach meiner Matura meinen ersten Job in einer Baufirma antreten, wo ich im Monat knapp über 1.000 Schilling netto verdiente – das entspricht heute rund 72 Euro. Als der Chef Mitarbeiter entlassen musste, wuchs mein Aufgabenbereich: ich erledigte auch Abrechnungen, machte den Lkw-Führerschein und wurde schließlich selbst Bauleiter. Die Arbeitstage waren lang und ich war auch viele Samstage im Büro, Überstunden wurden nicht bezahlt. Damals gab es eine 48-Stunden-Woche, zwei Wochen Urlaub und nach fünf Jahren bei der Firma drei Wochen.
1955 wechselte ich dann in die Bauabteilung der Mineralölfirma Mobil Oil Austria, weil dort besser bezahlt wurde. Mein Vorteil war, dass ich den Verkaufsdirektor persönlich kannte, denn wir hatten gerade seine Wohnung umgebaut. Dort habe ich mir schon bald einen Ruf als Spezialist für den Tankstellenbau erarbeitet. Der Grund war, dass ich die Mineralölverordnung sehr gut kannte. Kopierer gab es damals nicht und auch Bücher waren oft vergriffen. Ich fand aber eine Ausgabe der Mineralölverordnung bei meinem Vorgesetzten und habe sie auswendig gelernt – auch die deutschen Vorschriften. Bei einer Bauverhandlung für ein Tanklager in Linz konnte ich dadurch sehr kompetent auftreten und habe bei den Behörden und beim Chef Eindruck gemacht. Später habe ich mir in einem Weihnachtsurlaub auch das Einkommensteuergesetz angeeignet. So war ich in der Lage, etliche Bauherren steuerlich zu beraten, denn ihr eigener Steuerberater hat sich im Spezialgebiet Bau oft nicht so gut ausgekannt.
Wann erfolgte der Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit?
Lugner: Am 26. April 1962 habe ich die Konzession für meine Baufirma bekommen. Anfang Dezember 1962 begann ich mit einem Maurer und einem Hilfsarbeiter ein Hotel umzubauen, wo wir aus drei Zimmern zwei Zimmer mit Bad gemacht haben. Im darauffolgenden Sommer hatte ich schon neun Leute und die Belegschaft ist immer weitergewachsen, bis ich in Spitzenzeiten 700 Leute beschäftigt habe. Einer meiner ersten Mitarbeiter war Johann Piribauer – ein Burgenländer, der dann bis zu seiner Pensionierung bei mir gearbeitet hat.
Aber um zum Anfang zurückzukommen: Es war damals wirtschaftlich sehr eng, denn ich hatte nach dem Hotel noch keinen Folgeauftrag und deshalb haben wir langsam gebaut. Ich hatte starke Nerven und auch Glück, denn es kam eine Anfrage für einen Umbau rein und ich habe noch am selben Tag das Offert gelegt. Es wurde dann mit der Auftragslage langsam besser, die Qualität der Arbeit und die pünktliche Durchführung waren die Basis für weitere Aufträge. Zu Beginn verwendete ich noch handgeschriebene Firmenschilder in schwarz-weiß. Ein Jahr später habe ich bereits auf das markante Lugner-Rot umgestellt. Meine Bauleiter waren verpflichtet, die Tafel nicht auf der Wand aufzuhängen, wo sie keiner bemerkt, sondern sie quer zu stellen, damit sie jeder Autofahrer sieht. Mir war es immer wichtig eine Baustelle zu haben, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit ist. Eine große Baustelle als solche hat mich nicht interessiert.
Meine Frau hat als erstes Auto keinen Pkw bekommen, sondern einen Pritschenwagen. Und die hat fünf sehr gute Maurer gehabt und die haben bei Generaldirektoren und Firmenbesitzer usw. gearbeitet. Damals hat man das Geld bar ausbezahlt. Da sind am Freitag meine Frau und alle Bauleiter auf die Baustellen gefahren und haben die Lohnsackerl verteilt.
Was waren die besonderen Stärken Ihrer Baufirma?
Lugner: Meine Spezialgebiete waren der Tankstellenbau und die Revitalisierung. Wir waren die Firma mit den meisten Sanierungs-Projekten und dem größten Baustellenanteil im 1. Wiener Bezirk, weil das äußerst schwierig war mit Bewilligungen und den Kran-Zufahrten. Aber meine Bauleiter haben das alles im Griff gehabt. Ich habe drei Gruppen mit je vier Bauleitern beschäftigt, die gewinnbeteiligt waren, und sechs Kalkulanten. Der Bauleiter, der die Lugner City gebaut hat, hat eineinhalb Millionen Schilling Prämie gekriegt – da habe ich nicht darüber diskutiert. Ab Anfang der 1980er Jahre gab es in Graz auch einen steirischen Filialbetrieb, der ebenfalls auf den Tankstellenbau und die Revitalisierung spezialisiert war.
Eine unserer Stärken war die Schnelligkeit. Wir konnten jede Arbeit innerhalb von einer Woche beginnen. Rund 500 Baustellen haben wir im Jahr abgewickelt, im Schnitt waren jede Woche etwa fünf Baustellen fertig und wir konnten neue anfangen. Ein Problem war aber, das benötigte Personal zu bekommen. Ich habe daher im Laufe der Zeit sicher 15 kleinere Baufirmen aufgekauft, um die Belegschaft aufzustocken, denn es war eine Zeit lang schwierig, Leute zu kriegen. Ich habe sicher auch Kunden dazu gewonnen, aber das hat mich weniger interessiert. Wir haben in erster Linie nur kleine Arbeiten gemacht. Mein größtes Wohnhaus, das ich gebaut habe, hatte sechs Wohnungen. Wir waren auch spezialisiert in Trägerauswechslungen und Fassadenrenovierungen. Ich erinnere mich an einen kleinen Auftrag in Vorarlberg, wo nur ein Tankdeckel versetzt werden musste. Wir haben den Auftrag gekriegt, obwohl wir dazu mit dem Lkw extra nach Vorarlberg gefahren sind. Meine generelle Meinung war und ist, dass mir Geld verdienen wurscht ist. Mir hat nur der Erfolg Spaß gemacht.
Ihr wichtigstes Projekt war der Bau der Moschee in Wien. Wie haben Sie das Projekt in Erinnerung?
Lugner: Der erste Kontakt zum Neubau der Moschee kam 1975 über eine Nachbarin zustande und ich habe mich noch am selben Tag mit der entsprechenden Person getroffen. Zu Beginn hatte ich bedenken, weil ich mich mit dem Thema zu wenig auskannte und wir kaum Neubauten errichteten. Mein Angebot war dann deutlich besser als die bereits vorliegenden und damit wurde es ernst. Bis zur Vertragsunterzeichnung 1977 habe ich zu niemandem ein Wort gesagt und bin erst danach an die Öffentlichkeit gegangen. Leider gab es dann zahlreiche Probleme, unter anderem mit der Finanzierung und einer vorher nicht bekannten Mülldeponie, durch die wir die Fundierung viel aufwendiger machen mussten. Ein spezielles Thema war die Ausrichtung des Gebäudes, denn eine Moschee muss nach Mekka ausgerichtet sein. Ich habe viele kompetente Stellen gefragt und immer eine andere Antwort erhalten. Also habe mir eine Weltkugel besorgt und selbst Maß genommen. Wie sich herausstellte, war meine Moschee korrekt nach Mekka ausgerichtet – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Moscheen, die eine falsche Richtung haben.
Das Projekt an sich hat mich interessiert, ich habe daher viele Forschungsreisen unternommen und es ging mir nicht um den Gewinn. Ich habe auch das Minarett auf meine Kosten von 21 auf 32 m erhöht. Bei der Ausstattung habe ich wunderschöne Mosaike aus Marokko aufgetrieben. Auch marokkanische Luster habe ich besorgt, leider wurden dann aber andere Leuchten montiert. Mit der Eröffnung der Moschee am 20. November 1979 war ich dann schlagartig bekannt und es kamen neue Groß-Aufträge, wie die Renovierung der Wiener Synagoge oder des OPEC-Gebäudes am Ring. Auch dieser Auftrag war mir wichtig und ich habe ihn bekommen, weil ich dafür meinen Urlaub abgebrochen habe und schneller war. Wenn ich heute durch Wien gehe, dann freue ich mich über die vielen prominenten Gebäude, die meine Firma damals renoviert hat.
Sie sorgten auch für Schlagzeilen, als Sie den Schiefen Turm von Pisa aufrichten wollten. Wie wollten Sie diesen Plan umsetzen?
Lugner: Wir hatten damals das Know-how, mit unserem Unterfangsystem „Lugner-Wölzl“ die Schräglage des Turms mit speziellen Pfählen zu korrigieren. Die Problematik war allerdings, dass die italienische Baumafia das nicht wollte. Ich habe damals für eine italienische Automarke die Zentrale gebaut. Dabei wurde einem der Chefs vor dem Haus in die Knie geschossen – weil denen irgendetwas nicht gepasst hat. Der ist dann im Rollstuhl gesessen und auf das wollte ich mich nicht einlassen. Aber der Tiefbau, speziell mit dieser Pfahl-Gründung, hat sich zu einem wichtigen Standbein entwickelt. Da haben wir auch gut verdient, weil das damals nur wenige konnten.
Haben Sie jemals selbst einen Bagger bedient?
Lugner: In den ersten Jahren habe ich ein Tanklager an der Donau umgebaut. Der Leiter dort hat mich überhaupt nicht wollen und hat die schwersten Tankwagen immer neben der Grube vorbeifahren lassen, damit die Wand einstürzt. Dann hat er gesagt, der Kessel muss noch zwei Meter tiefer runter. Und da bin dann selber unten in der Grube gestanden und habe mitgebaggert.
Als meine Söhne noch Kinder waren, habe ich mir an einem Samstag oft einen Lastwagen ausgeborgt. Ich bin mit ihnen in die Stadt gefahren, denn ich habe gewusst, wo ein Schutthaufen ist. Dort habe ich den Lkw beladen und bin dann mit ihnen zu einer Planie gefahren, wo wir es abgekippt haben. Das war für die spannender, wie wenn ich ihnen Grimms Märchen erzähle.
Sie gelten als Workaholic. Was kann man sich darunter vorstellen?
Lugner: Heute geht es mir gut, weil ich über das Wochenende meinen Schreibtisch leer gearbeitet habe. Aber vorige Woche bin ich nie vor 9 Uhr heimgekommen und einmal erst um 11 Uhr. Ein aktuelles Projekt, das mich stark beschäftigt, ist der Umbau von einem Bürohaus in ein Hotel. Dazu habe ich einen Bauleiter aus der Pension geholt, der ist 70 Jahre und der macht das jetzt.
Sind Sie im Herzen nach wie vor ein Baumensch?
Lugner: Ja schon, aber ich würde sagen, ich war zum Schluss mehr Manager. Ich wollte immer die Projekte bauen, die mich interessiert haben. Das haben auch meine Kalkulanten gewusst: das Projekt will ich haben und das will ich nicht haben. Und mir war es wirklich egal, was ich verdiene.
Mein Motto war: Es zählt nur der Erfolg. Und wenn ein Mitarbeiter zu mir gekommen ist und hat gesagt, ich habe den schon drei Mal angerufen und den erreiche ich nicht, dann war meine Reaktion immer: Bitte gehen sie raus, mich interessiert nicht, was sie nicht können, sondern das, was sie erreicht haben. Das war immer mein Motto und ich habe super Mitarbeiter gehabt. Auch meine Bauarbeiter zum Beispiel, mit denen ich beim Betriebsausflug jedes Jahr in eine andere große europäische Stadt geflogen bin. Es kommen heute noch die Leute und sagen: Herr Chef, das war die tollste Zeit in meinem Leben, wie ich bei ihnen war. Ich habe niemanden zu Weihnachten entlassen. Wir haben im Sommer jeden Tag eine halbe Stunde länger gearbeitet und das haben wir zu Weihnachten als Einarbeitungszeit gerechnet.
Durch den Opernball bin ich natürlich sehr bekannt geworden. Ich war voriges Jahr zu Ostern in Marrakesch und gehe dort auf den Markt, den Souk. Beim dritten Stand fragt einer: You are Mr. Richard? Ich sage yes und gehe weiter. Ein paar Stände weiter fragt wieder einer: You are Mr. Richard? Sage ich yes, why? Nimmt er sein Handy und zeigt mich mit der Elle Macpherson am Opernball – im Souk von Marrakesch. Das ist ein Wahnsinn. Die APA hat mir gesagt, wenn ich die Meldung herausgebe, wer mein Stargast beim Opernball ist, dann nehmen das alle Agenturen auf der ganzen Welt.
Vielen Dank für das Gespräch!